Pragmatismus

Jetzt bin ich 26 Jahre alt, wo ich diesen Beitrag schreibe und beschäftige mich das erste Mal in meinem Leben mit Pragmatismus..

Ich bin über das Wort gestolpert und wusste es gar nicht zu erklären, bis ich ein bisschen recherchierte – und Folgendes ist dabei herausgekommen.. 😄

Wortherkunft: Pragma, griechisch πρᾶγμα (pragma, die Sache) heißt Handeln, die Tat, die Sache, die Lage der Dinge. Aus dem Begriff Pragma hat sich das Adjektiv pragmatisch und der Begriff Pragmatismus abgeleitet.

Pragmatismus ist eine Einstellung und auch Vorgehensweise, bei der es einem in erster Linie darum geht, seine Ziele zu erreichen und weniger um Prinzipien. Pragmatisches Handeln ist total am Nutzen orientiert und stellt emotionale Belange in den Hintergrund. – Es geht um Nutzen, Auswirkung, Ziele.

Synonyme: Sachbezogenheit, auf Tatsachen beruhend, den Erfahrungen entsprechend, Geschäftsmäßigkeit, Nüchternheit

Gegenteile: Emotionalität, nur von Gefühlen geleitet, Sentimentalität


Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz

“Was heißt Veganismus? Das ist ja inzwischen bekannt, Veganismus heißt der Verzicht auf jede Form von tierischen Produkten, insbesondere Verzicht auf alles, was Tiere irgendwo in Probleme bringen könnte. So heißt Veganismus natürlich der Verzicht auf FleischFisch, ist der Verzicht auf Milchprodukte und Eier, es ist der Verzicht auf Lederprodukte usw.

Veganismus kann sehr konsequent sein, Veganismus kann aber auch pragmatisch sein, beides hat so seine Vorteile. Wenn man Veganismus sehr konsequent machen will, dann wird es schon schwierig, denn wusstest du, dass Apfelsaft Schwein enthält? Wusstest du, dass Traubensaft verschiedene tierische Produkte hat? Ja, das ist tatsächlich so, insbesondere wenn es eben heller Traubensaft ist.

Wann immer du einen hellen Saft hast, da sind irgendwelche Trennmittel verwendet worden, die aus Tieren gewonnen werden, mindestens ist das zum jetzigen Zeitpunkt, also im Jahr 2015, so. Jede Kosmetik wurde irgendwann mal an Tieren ausprobiert, weshalb man eigentlich keine Kosmetik nehmen sollte, die entweder nicht von einer bewusst tierfreundlichen Kosmetikfirma auf den Markt gebracht wurde oder die die letzten zwanzig Jahre neu auf den Markt gekommen ist. So vieles gibt es und wenn man sehr konsequent sein will, wird es schon schwierig.

Oder wenn du durch den Wald gehst, trittst du auf Tiere, das ist nicht vermeidbar. Du könntest verzichten auf Waldspaziergänge und Wiesenspaziergänge. So ist ein gewisser Pragmatismus notwendig, aber auch nicht zu weit. Es gibt ja die so genannten Flexitarier, das heißt, insgesamt leben sie vegetarisch, vegan, aber wenn sie mal eingeladen sind oder im Restaurant sind oder mal Hunger haben, dann wird eben ein Fisch gegessen, ein Steak gegessen oder was auch immer.

Wie pragmatisch willst du sein, diese Frage muss man immer wieder dort abwägen. Wie pragmatisch ist man auch im Umgang mit anderen? Z.B. angenommen, du willst einen Vegetarier-Tag in deiner Stadt organisieren oder du willst einen veganen Führer für deine Stadt herausgeben oder Empfehlungen auf deinem Blog oder auf deiner Facebook-Seite machen.

Wenn auf der Speisekarte irgendetwas steht, was nicht vegan ist, kannst du das aufnehmen oder nicht? Oder wo gehst du essen? Kaufst du nur in reinen Vegan-Läden ein, so unterstützt du die Vegan-Läden? Oder kaufst du auch und gerade in Supermärkten die veganen Produkte ein, damit die Supermärkte mit ihrer Macht und ihrer Werbemacht merken, da ist ein Markt dafür da?

Ist das gut, dass Rügenwalder Mühle jetzt vegetarische Produkte auf den Markt bringt, obgleich sie hauptsächlich eine Wurstfirma ist? So gibt es so einiges. Wie pragmatisch ist man oder ist man nicht? Diese Frage muss man sich immer wieder von neuem stellen.

Auch ich selbst muss das immer wieder überlegen. Ich lebe in einem YogaAshram, einem der größten Yoga-Ashrams außerhalb von Indien. Das Buffet ist größtenteils vegan, aber auf dem Buffet sind Milchprodukte und Joghurt, zwar nur in kleinem Maße, irgendwo steht etwas Milch rum, irgendwo steht etwas Joghurt rum, es steht auch Butter rum, aber an und für sich, alle zubereiteten Speisen sind vegan.

Ist es jetzt gut, dass wir dort Joghurt und Milch haben? Ich wollte das irgendwann mal in rein vegan haben und ich meine auch bis heute, es wäre besser, wenn wir es nicht hätten. Aber ich lebe in einer Lebensgemeinschaft, einer Yoga Vidya Gemeinschaft, demokratisch verfasst, die Mehrheit hat entschieden, da soll auch Milch und Joghurt drauf stehen auf dem Buffet. Und wie kann ich da umgehen?

Ich hätte jetzt sagen können, wenn ihr weiter wollt, dass ich weiter im Ashram bin, dann geht das nur, wenn das Buffet vegan ist? Hätte ich es darauf ankommen lassen sollen oder sollte ich es darauf ankommen lassen und sagen, entweder Buffet ist vegan oder ich verlasse den Ashram? Ab und zu mal denke ich das.

Aber da gilt es auch wieder, Pragmatismus zu haben. Sehr viel mehr kann ich bewirken innerhalb von Yoga Vidya, sehr viel mehr kann ich bewirken mit den Menschen, die auch ab und zu mal ein bisschen Milchprodukte zu sich nehmen. So habe ich mich entschieden, es ist sehr viel wichtiger, dass Menschen zu Vegetariern werden, als dass ein paar Vegetarier zu Veganern werden. Und es klappt sehr viel besser, wenn ich dort mit vielen Menschen zusammenarbeite.

Für mich selbst bin ich nicht so pragmatisch, sondern da bin ich konsequent, ich nehme keine Milchprodukte zu mir, keine Eier und kein Fleisch. Fleisch und Fisch esse ich schon seit ich siebzehn bin nicht mehr. Als ich sechzehn war, wurde ich, würde man heute sagen, Flexitarier, ich habe zuhause bei meinen Eltern nur vegetarisch gelebt, habe mir nur Vegetarisches gekauft, wenn ich eingeladen war zur Großmutter usw., hatte ich auch mal eine Ausnahme gemacht.

Das habe ich so ein paar Monate gemacht, aber seit ich siebzehn bin, kein Stück Fleisch mehr in meinen Mund. Und seit vier Jahren, Anfang 2011, esse ich auch keine Milchprodukte, keine Eier mehr, da bin ich auch ganz radikal, fundamentalistisch, könnte man sagen.

Aber im Umgang mit anderen Menschen bin ich pragmatisch. Und wenn möglich, würde ich in veganen Läden kaufen, gibt es aber hier in der Gegend nicht. So, wenn möglich, im Bioladen, der weitestgehend vegetarisch, vegan ist, aber eben auch anderes hat.

So muss man überlegen, wie pragmatisch oder wie konsequent ist man. Es gibt gute Gründe dafür, sehr konsequent zu sein und selbst sehr konsequent zu sein, es gibt aber auch gute Gründe, etwas pragmatischer zu sein. Und es ist gut, wenn es da die Fundis gibt und es ist auch gut, wenn es die Realos gibt.

Langfristig hoffe ich, dass in dreißig, vierzig Jahren niemand mehr Fleisch essen wird in Deutschland. Ist das realistisch? Ich weiß es nicht. Aber in hundert Jahren, ehrlich gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass, wenn die Zivilisation sich weiterentwickelt, dass jemand langfristig bereit ist, Tiere zu quälen, um krank zu werden, das heißt Fleisch essen und Milch zu essen.

Denn Fleischessen ist verbunden mit Quälerei und Fleisch und Milch ist verbunden mit Quälerei und ist ungesund. Es gibt überhaupt keinen rational nachvollziehbaren Grund, Fleisch und Milchprodukte und Eier zu sich zu nehmen, alles gibt es als vegane Alternative.

Und jeder Veganer wird sagen, die Alternativen schmecken gut. In diesem Sinne, wie kommen wir dorthin zu diesem Ziel, dass die Tiere nicht mehr gequält werden von Menschen? Da muss man auch einen gewissen Pragmatismus , aber auch eine gewisse Konsequenz.”

Quelle: yoga-vidya